Ich bin kein Gutmensch!

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Ich spende nicht für Licht ins Dunkel. Ich muss weder mein Gewissen beruhigen, noch politisches Fehlhandeln kompensieren. Ich bin Leidtragende dieses Systems, daher schlicht nicht in der Lage dazu.
Ich spende darüberhinaus auch nicht für die Freiwillige Feuerwehr, Greenpeace, Kinder in Not, Schmetterlingskinder oder Rettet den Tiger.
Ich würde es, wenn ich könnte, denn es gibt meinem Empfinden nach, sehr vieles, das des Schutzes bedarf, droht unterzugehen, Unterstützung benötigt.
Finanziell ist das aber leider nicht drin, und ich möchte nicht mit 10 zur weihnachtszeit rausgepressten Euro mir vormachen, ich hätte einen essentiellen Beitrag geleistet.
Ich mache etwas anderes:
Vor ca. 2 Jahren stand ich an meinem Wohnzimmerfenster. Eine Zigarette rauchend, Auszeit, Gedanken nachhängend…. als eine seltsame Bewegung unter meinem, im Hof geparkten, Auto meine Aufmerksamkeit auf sich zog.
Da flatterte etwas. Da war irgendeine Bewegung.
Ich ging meiner Wege in der Annahme, es wäre ein Vogel auf der Suche nach Futter.
War es nicht. Die nachfolgenden Ereignisse in Kurzform:
Kleiner Vogel, vermutlich aus dem Nest gefallen (heftige Unwetter vorher, Inspektion ergibt zerstörte Nester), es geht ihm sehr schlecht.
Aufklauben, nach Hause bringen.
Wildvogel-Hilfe. Art erheben.
Elektrolyt-Lösung.
Kleine Mehlschwalbe. Ernährt sich von Insekten. Super …..
Tierhandlung – Lebende Mehlwürmer gehen leider gar nicht – Ihhhhgitt!. Heimchen. Bewältigbar.
Heimchen zäppeln, die kleine Mehlschwalbe schafft das nicht.
Heimchen einfrieren – humaner Tod, muss sein, Nebeneffekt: sie zappeln nicht mehr.
Anruf Nachbarin. Zweite Mehlschwalbe hüpft im Gras herum.
Auch diese einsammeln. Jetzt habe ich schon zwei.
Freunde mich, nach etlichen Telefonaten, mit dem Gedanken an, meine Wohnung mit fliegenden Insekten zu bevölkern, um ihnen jagen, d.h. das Überleben draußen zu ermöglichen.
Gott sei Dank ist mein Hund kein Jäger.
Die kleinere frisst nicht. Telefonate. Zu klein, d.h. Zwangsernährung. Bitte, die ist halb so groß wie meine Rennmäuse …..???
Breichen aus gefrohrenen, wiederaufgetauten Heimchen und Elektrolyt-Lösung und eiligst in der Tierhandlung besorgten Vitamin-Präparaten zubereiten. Sie möchte. Sie hat Hunger. Sie kämpft. Ich schaffe es, ein wenig Nahrung in sie reinzukriegen. Das größere Geschwister-Kind futtert ohne Probleme. Unmengen.
Hektisches Telefonieren. Wildvögel in Not – Hochkonjunktur. Alles voll.
Irritierend: Das Wiener Tierschutzheim, als eines der wenigen mit der Möglichkeit Wildvögel aufzunehmen, nimmt keine Guntramsdorfer Wildvögel auf. Nicht zuständig.
Nicht ärgern, weitertelefonieren.
Endlich ein Lichtblick – die veterinärmedizinische Uni ist bereit, beide aufzunehmen! Ich muss sie nur bis spätestens 18:00 bringen.
Es ist vormittag, einen Nachmittag, eine schlaflose Nacht mit stündlichen Fütterungsversuchen, später.
Die Große frißt, die Kleine spuckt so ziemlich alles wieder aus. Ich halte sie mit Elektrolyt und Mini-Mengen notdürftig am Leben, aber sie wird jetzt stündlich dramatisch schwächer.
Nachmittag. Aufgrund von Terminkollisionen meiner Umgebung muss ich meine Tochter zum Arzt bringen. Die zwei natürlich dabei, das Wartezimmer gestalte ich für 50 min. kurzerhand zur Wildvogel-Ambulanz um.
Endlich können wir – meine Tochter und ich – uns Richtung Veterinärmedizinische Uni aufmachen.
Sommerzeit. Bauarbeiten. Stau auf der Südosttangente.
Meine Tochter beobachtet. Erstattet Bericht. “Du Mami, sie bewegt sich nicht mehr ……”, “Warte, jetzt hat sie sich bewegt”, “Ich glaub, es geht ihr sehr schlecht ……” ……..
Ich rede, warte, telefoniere, erreiche, dass die zwei auch nach 18 Uhr noch aufgenommen werden, verfahre mich, frage mich durch, stoße auf unglaublich viel Unterstützung und Hilfe, und schaffe es nach 2 1/2 Stunden Fahrt-, bzw. Schleichzeit bei der Vet.Med.Uni einzubiegen.
Aufnahme. Streng irritierte Frage, warum der kleine Piepmatz so verklebt ist…….? Naja, Elektrolyt pickt nunmal ……
Formulare ausgefüllt, meine Tochter darf zusehen, wie der Winzling gleich mal unter die Wärmelampe gesetzt wird, sieht Raben, verletzte Wildvögel, bekommt Erklärungen.
Wir haben es geschafft. Der Winzling ist in guten Händen. In Händen, die zwangsernähren können, bis er selbst schlucken kann.
Apropos Essen, wir sind beide ziemlich hungrig und durstig.
Schnelles Bauch-füllen-Kinder-Belohnungs-Essen bei Mäcci.
Nach Hause fahren. Erschöpft. Einerseits froh, dem Piepmatz hoffentlich eine Überlebenschance gegeben zu haben, aber auch ein winziges bisschen traurig, weil wir uns schon dem Gedanken, Insekten in der Wohnung zu haben, angenähert hatten…..
Wie auch immer. Wir haben gewartet, darüber geredet, immer wieder angerufen.
1 Woche später: “Es geht der Kleinen gut, sie kann jetzt selbständig fressen.”
2 Wochen später: ” Alle zwei sind zu den anderen Mehlschwalben übersiedelt, sie werden in Kürze freigelassen.”
Und wenn man weiß, dass Melhlschwalben – einfach so – in einer Kollonie aufgenommen werden, dann fliegt unser Überlebenskämpfer in der Gruppe mit ihnen ……..- frei wie ein Vogel-mit-Chance!

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